Rasseerhaltungsprogramm
- Yasmin Spengler
- 7. Jan. 2024
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. Nov.
1 Allgemeines
Die Capra Grigia stammt aus den Tälern des Tessins und Südbündens, wo ihre Existenz seit über 100 Jahren dokumentiert ist. Der allgemeine Rückgang der Ziegenbestände, das Nicht-Anerkennen der Capra Grigia während der Ziegenrassenbereinigung von 1938 und das CAE-Virus haben dazu beigetragen, dass diese Rasse beinahe ausgestorben ist. 1997 startete ProSpecieRara ein Rettungsprojekt für die Capra Grigia. Die verschiedenen Schläge der Capra Grigia wurden zu einer Rasse zusammengefasst, da für die Erhaltung der einzelnen Schläge nicht mehr genügend lebende Tiere vorhanden waren. 2006 erhielt die Capra Grigia vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) die Anerkennung als Schweizer Rasse. Mit der Gründungsversammlung vom 6.3.2011 hat der Verein Capra Grigia Schweiz die Verantwortung für die Rasse Capra Grigia übernommen. Am 31.1.2015 wurde Capra Grigia Schweiz von BLW als Zuchtorganisation (ZO) anerkannt.
Die Capra Grigia oder "Cavra del sass" (Steinziege), wie man sie im Calancatal nennt, fällt mit ihrer grauen Körperfärbung auf, die mit der Farbe von gebrochenem Calanca-Granit verglichen wird. Man trifft sie in den Farbschlägen von silber- bis dunkelgrau an. Ihre kräftigen, nach hinten gebogenen Hörner stehen für ihre Widerstandskraft und Ursprünglichkeit. Dank ihrer ausgeprägten Muskulatur, der harten Hufe und der hohen Trittsicherheit sind die schönen Ziegen optimal an das Bergleben angepasst.
Die Capra Grigia (Graue Bergziege) wird extensiv gehalten, bewegt sich äusserst sicher im unweg-samen Gelände und ist sehr alptüchtig. Sie ist bestens an die alpine Haltungssysteme mit langen Märschen und freier Haltung auf steilen Weiden angepasst. Dank ihrer Robustheit und Vitalität ertragen sie das oft raue Klima in grossen Höhen. Als klassische Mehrnutzungsziege kann sie sowohl in der Muttergeissenhaltung als auch als Milchziege mit respektabler Milchleistung eingesetzt werden. Immer öfter wird die Capra Grigia in Lanschaftspflegeprojekten eingesetzt zur Bekämpfung der zunehmenden Verbuschung von Alpweiden (v.a. Grünerlen).
2 Zuchtziel
Generelles Zuchtziel in der Aufbauphase (bis ca. 3000 Tiere bei einem Verhältnis von 10 bis 20 Ziegen pro Bock) ist die Erhaltung der Capra Grigia im Sinne eines möglichst breiten genetischen Pools als Teil der tiergenetischen Ressourcen der Schweiz.
Es wird eine erneute Verbreitung der Rasse in ihrem Ursprungsgebiet sowie auch in anderen Regionen der Schweiz angestrebt.
Angestrebt wird eine Ziege mit den folgenden Eigenschaften:
Gesunde Ziegenrasse ohne Erbfehler
Robust, anspruchslos und geländegängig
Gute Fruchtbarkeit und gute Aufzuchteigenschaften (problemlose Aufzucht von Zwillingen)
Hohe Lebensdauer
Gute Mastfähigkeit mit Grundfutter
Erhalt der Nahrungsvorliebe für Pflanzen des Gebüschwaldes (z. B. Grünerlen, …) und der Fähigkeit zur Entbuschung (Blätter- und Rindenverzehr, Fegen der Rinde).
3 Zuchtstrategie
3.1. Massnahmen
Die Zuchtziele werden mit verschieden Massnahmen umgesetzt. Der Verein Capra Grigia Svizzera (CGS) führt das Herdebuch, in dem alle zur Zucht geeigneten Tiere mit Abstammungsdaten registriert werden. Basierend auf dem Rassenbeschrieb wird über die Eignungskategorie eines Tieres im Herdebuch entschieden. Eigenschaften, die zu einem Ausschluss führen können, sind unter 4.2 festgehalten.
Weitere Massnahmen sind:
Erfassung aller relevanten Informationen im Herdebuch (Abstammung, Exterieur- und Leistungsprüfungen, Besitzerwechsel)
Ausstellen von Abstammungsausweisen
Tierbeurteilung durch Experten/Expertinnen
Berechnung von Inzuchtkoeffizienten und genetischen Präsenzen
In der Aufbauphase können bisher unbekannte Tiere aufgenommen werden, wenn eine Beurteilung durch einen Experten/eine Expertin zeigt, dass das Tier dem Rasse-beschrieb entspricht und die Aufnahme von der Zuchtkommission bewilligt wird.
Selektionsberatung der Mitglieder durch Herdebuchführung, Zuchtleitung und Expertenpool.
Ausmerzempfehlung an Züchter/Züchterinnen für Tiere mit bestimmten Mängeln, sofern dies aus tierschützerischer Sicht angezeigt ist.
Regelmässige Aus- und Weiterbildung der Funktionäre/Funktionärinnen.
4 Rassestandard
4.1. Rassenbeschrieb

Die Capra Grigia oder «Cavra del sass», wie man sie im Calancatal nennt, trifft man in allen Grau-stufen von silbergrau bis dunkelgrau an. Auffällig sind die kräftigen, vorzugsweise nach hinten gebogenen Hörner (alpiner Typ). Dank ihrer ausgeprägten Muskulatur, der harten Hufe und der hohen Trittsicherheit sind die schönen Ziegen optimal an das Leben in den südlichen Alpen angepasst. Robust, widerstandsfähig und anspruchslos: das Erfolgsrezept der stolzen Grauen!
Angestrebt wird eine Mehrnutzungsziege, die sich für die Mutterziegenhaltung, zum Melken und als Landschaftspflegerin eignet. Dank ausreichender Milchproduktion und guten Aufzuchteigenschaften ist auch die Aufzucht von Zwillingen gut möglich. Als Robustrasse soll sie in extremen Gegenden zurechtkommen und dadurch für die extensive Landschaftspflege interessant sein. Ihre gute Raufutterverwertung äussert sich nicht zuletzt in den geringen Fütterungskosten. Die Haltungsbedingungen sollen dem natürlichen Lebensraum und dem Verhalten der Ziegen soweit als möglich entsprechen. Eine hohe Widerstandsfähigkeit und lange Lebensdauer sollen diese Rasse auszeichnen.
4.1.1 Rassemerkmale
Behaarung: Kurzes, dichtes Haarkleid
Färbung:
Grundsätze: keine braunen oder roten Farbstiche oder –partien. Zu vernachlässigen sind durch Urin und Kot verfärbte Stellen im Schwanzbereich.
Möglichst homogene Färbung, keine scharfen Farbabgrenzungen/-übergänge oder Flecken.
Körper: Grundfarbe hell- bis dunkelgrau, je nach Verhältnis schwarze/weisse Haare, Verteilung der schwarzen Haare fein (uni) bis grob (meliert). Der Rücken kann einen dunklen Aal-strich aufweisen.
Beine: erkennbar dunkler als Körperzeichnung (Stiefelfärbung), bevorzugt schwarz.
Kopf: Grundfarbe siehe Körper. Frosting möglich (Partien um Maul, Ohren und Glöggli, an denen der Anteil der weissen Haare stärker als der Rest des Körpers ist. Immer mit einem Anteil schwarzer Haare). Ein kleiner weisser Fleck (Stern) zwischen den Hörnern ist erlaubt.
4.1.2 Typ
Körperbau: Körper harmonisch, robust, breit, gut bemuskelt, gute Brust- und Flankentiefe; Kopf edel und leicht, gehörnt. Kopf ziemlich lang und schmal, Hörner vorzugsweise nach hinten geboge-nen (alpiner Typ), Becken nicht zu stark abgezogen.
Widerristhöhe: ♂: 88 - 95 cm ♀: 76 - 85 cm
Gewicht: ♂: mind. 65 kg ♀: mind. 45 kg
4.1.3 Fundament
Gliedmassen und Stellung: Gliedmassen sehnig und mittelstark, kräftig, Gelenke trocken, Fesseln kräftig und federnd, Stellung parallel. Klauen unauffällig, hart und geschlossen.
Gang: Gang lebhaft, behände, gerade, über längere Distanzen marschfähig.
4.1.4 Euter
Euter: gut ausgebildetes Voreuter (nach vorn), Euter drüsig, gleichmässig entwickelt, breit aufgehängt, kompakt, mittelgross, den Gang nicht behindernd.
4.1.5 Zitzen
Zitzen: gut gestellt, mittlere Dicke und Länge, am Euter richtig angesetzt.
4.2 Ausschlussgründe
Weicht ein Tier in einzelnen Punkten so stark vom Rassestandard ab, dass es entweder nicht als Capra Grigia erkennbar ist oder dass gesundheitliche Probleme wahrscheinlich werden, wird das Tier aus dem Herdebuch ausgeschlossen. Tiere, die keine rassetypische Erscheinung haben, wer-den zu Genträgern, bei Abweichungen, die gesundheitliche Probleme wahrscheinlich werden lassen, erfolgt ein genereller Ausschluss aus dem Herdebuch. Die Ausschlussgrenzen sind auf dem aktuellen Beurteilungsformular ersichtlich.
Tiere mit einem Inzuchtwert von 6.25 oder mehr werden nicht ins Herdebuch aufgenommen.
Böcke, die einen Fremdblutanteil von mehr als 25% haben und/oder nicht von Bockeltern abstammen und/oder nicht mindestens zwei vollständige Ahnengenerationen aufweisen, werden aus dem Herdebuch ausgeschlossen.
Zusätzlich führen folgende Mängel zu einem Ausschluss aus dem Herdebuch:
Wiederholte Missbildungen bei der Nachzucht
Zwitter
Einhodigkeit, Kleinhodigkeit, Hoden- und Euterbruch, Samenstauung
Ausgeprägte Kieferanomalien
Mit Ausnahme von Tieren mit Missbildungen kann die Zuchtleitung im Interesse der Erhaltung der Vielfalt auch Tiere in der Zucht anerkennen, die den Mindestanforderungen nicht entsprechen.
Sind die Mängel so ausgeprägt, dass das Wohlergehen der Tiere stark beeinträchtigt ist, wird das Ausmerzen der Tiere empfohlen.
Genehmigung des „Rasseerhaltungsprogramms Capra Grigia“ durch die Generalversammlung vom 15. März 2025 in Hergiswil. Inkraftsetzung rückwirkend per 31.1.2025.



